Dienstag, 11. März 2008

Mandatsträger, Gewissensfreiheit und Koalitionen

Berlin. Der FDP-Partei- und -Fraktionsvorsitzende DR. GUIDO WESTERWELLE gab der „Neuen Presse, Hannover“ (11.3.2008) das folgende Interview. Die Fragen stellte ANDREAS HERHOLZ:

Frage: Rückkehr von Kurt Beck auf die bundespolitische Bühne. Hat Sie der Auftritt des SPD-Chefs zur Krisenbewältigung überzeugt?
WESTERWELLE: Das war viel Lärm um zu wenig. Den Wählerinnen und Wählern ist noch immer nicht klar, ob die SPD jetzt noch weiter nach links rücken oder in die Mitte zurückkehren will. Jeder SPD-Wähler muss damit rechnen, dass seine Stimme in einem Bündnis mit Grünen und Linkspartei landet.

Frage: Ausgerechnet in dieser Lage will die FDP nun künftig auch Koalitionen mit SPD und Grünen nicht mehr ausschließen. Wird Ihre Partei wieder zur Umfallerpartei?
WESTERWELLE: Derzeit gibt es keine ausreichende inhaltliche Basis für eine Zusammenarbeit mit SPD und Grünen. Es bleibt abzuwarten, ob in der SPD eher die Steinmeiers oder die Wowereits künftig das Sagen bekommen. Unsere Schnittmengen mit der Union sind immer noch am größten. Aber die FDP muss leider feststellen, dass CDU und CSU immer beliebiger werden und um jeden Preis regieren wollen - egal mit welchem faulen Kompromiss und mit welchem Partner. Der Linksrutsch hat auch die Union erfasst. Das wird beim geplanten Gesundheitsfonds und den staatlich festgelegten Mindestlöhnen deutlich. Die FDP setzt auch in Zukunft auf Zweierbündnisse. Die Gemeinsamkeiten von Union und FDP sind zur Zeit immer noch am größten.

Frage: Es ist nicht lange her, da haben Sie auf ihrem Parteitag die Parole 'Freiheit statt Sozialismus' ausgegeben und einen Lagerwahlkampf angekündigt.
WESTERWELLE: Gegen den Sozialismus werde ich auch weiter mit scharfen Worten zu Felde ziehen. Die Sozialisten haben immer erst die Unternehmen verstaatlicht und dann das Denken. Totalitären Vorstellungen werden wir uns immer mit aller Kraft entgegenstellen, ganz gleich, ob sie von links oder rechts kommen. Die FDP gehört keinem Lager an und wird deshalb auch keinen Lagerwahlkampf führen. Wir werden künftig noch stärker unser eigenes Programm der Freiheit in den Vordergrund stellen. Herr Merz verzweifelt an der Union, Herr Clement an der SPD und die bürgerlichen Grünen wie Herr Metzger treten aus ihrer Partei aus. Wir sind die letzte Partei der Mitte.

Frage: In Hessen könnte die FDP mit einem Ja zur Ampelkoalition das politische Patt auflösen und wieder für Handlungsfähigkeit sorgen.
WESTERWELLE: Hessens SPD-Spitzenkandidatin Ypsilanti und ihr Programm ist doch sogar den bürgerlichen Sozialdemokraten zu links. Da ist mit uns nichts zu machen.

Frage: Aus Ihren eigenen Reihen gibt es Kritik daran, dass die FDP zu sehr auf das Thema Steuern fixiert sei und es zu wenig Emotionalität gebe. Gibt es hier Handlungsbedarf?
WESTERWELLE: Die FDP ist früher einmal mit dem Slogan Vorfahrt für Vernunft angetreten. Das ist natürlich weniger gefühlvoll als 'Kinder, Küche, Kirche' oder 'Mein Herz schlägt links'. Uns ist eine Politik der sozialen Ergebnisse wichtiger als eine Politik der sozialen Absichten. Natürlich können wir unser Ziel, als Partei für das ganze Volk Wohlstand für alle zu erreichen, noch besser herausstellen.

Frage: In Hessen hat sich die SPD-Landtagsabgeordnete Dagmar Metzger bei ihrem Nein zum Linksbündnis auf ihr Gewissen berufen. Jetzt klagt sie über Druck und Anfeindungen und wird gedrängt ihr Mandat niederzulegen. Wird die Gewissensfreiheit des Mandatsträgers nicht mehr respektiert?
WESTERWELLE: Dieses Mobbing gegen Frau Metzger in Hessen ist geradezu verfassungswidrig. Jeder Abgeordnete ist frei gewählt und nur seinem Gewissen und nicht der Parteizentrale verpflichtet. Ich hoffe sehr, dass sich die Parlamentspräsidenten mit ihrer ganzen Autorität in dieser Frage rasch und deutlich zu Wort melden.

Frage: SPD-Chef Beck hat bei seinem Auftritt vor der Berliner Presse den Vorwurf des Wortbruchs zurückgewiesen und ein Bündnis mit der Linkspartei auf Bundesebene ausgeschlossen. Klingt das für Sie glaubwürdig?
WESTERWELLE: Was in Hessen stattgefunden hat, war kalkulierter Wortbruch. Er ist nicht an der Einsicht der SPD-Spitzen in Wiesbaden und Berlin gescheitert, sondern an der Aufrichtigkeit einer einsamen Sozialdemokratin. So wie die SPD in Hessen ihre Wahlversprechen vergessen hat, so würde sie auch 2009 mit eleganten Sätzen erklären, warum es nach der Bundestagswahl zu einer rot-rot-grünen Regierung kommen muss, wenn es die Wähler zulassen. Die FDP wird alles daran setzen, dass die Sozialisten und Kommunisten in Deutschland nicht an die Macht kommen.

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