Mittwoch, 12. März 2008

Die Koalitionspartner der FDP

Berlin. Der FDP-Partei- und -Fraktionsvorsitzende DR. GUIDO WESTERWELLE gab der „Berliner Zeitung“ (Mittwoch-Ausgabe) das folgende Interview. Die Fragen stellte SIGRID AVERESCH:
Frage: Kann die SPD in ihrer derzeitigen Situation ein Koalitionspartner für die FDP sein?
WESTERWELLE: Dafür fehlt derzeit die inhaltliche Grundlage.

Frage: Gleichwohl sind Sie von der starren Festlegung zu Gunsten einer Koalition mit der Union abgerückt. Warum haben Sie dann den Kurswechsel vollzogen?
WESTERWELLE: Eine bürgerliche Mehrheit wäre das Beste, weil die inhaltlichen Gemeinsamkeiten mit der Union immer noch am größten sind. Wenn es dafür aber in einem Fünfparteiensystem nicht reicht, wird die FDP nicht tatenlos zusehen, wie Deutschland von Sozialisten und Kommunisten mitregiert wird.

Frage: Sie distanzieren sich von einem Partner, ohne neue Bündnisse zu sehen oder zu erschließen. Welchen Sinn macht das?
WESTERWELLE: Wir nehmen zur Kenntnis, dass die Union inzwischen eine Partei der größten Beliebigkeit geworden ist. Sie will um jeden Preis, mit jedem faulen Kompromiss und mit jedem Partner regieren. Wir sind deshalb als FDP gut beraten, einen eigenständigen Kurs zu verfolgen. Die Union hat sich seit der letzten Bundestagswahl von der Mitte weg bewegt. Damals haben die CDU-Vorsitzende Angela Merkel, CSU-Chef Edmund Stoiber und ich gemeinsam das Projekt der Erneuerung der sozialen Marktwirtschaft ausgerufen. Davon hat sich die Union komplett verabschiedet und die FDP zieht daraus die Konsequenzen. Wir bleiben in der Mitte.

Frage: Ist das ein Kurswechsel?
WESTERWELLE: Es unterstreicht unsere Eigenständigkeit. Koalitionsaussagen müssen künftig gegenseitig sein. Wir sind gut beraten, unseren Kurs nicht an anderen Parteien auszurichten. Wir können uns grundsätzlich nur auf uns selber verlassen.

Frage: Ist dies nicht eher eine Taktik, damit die Union zur FDP steht?
WESTERWELLE: Es ist eine Strategie der Eigenständigkeit. Wir sagen, was wir wollen: eine bürgerliche Mehrheit, ohne andere Varianten kategorisch auszuschließen, wenn es nicht reicht. Wir wollen mit einer bürgerlichen Mehrheit die Mittelschicht in Deutschland stärken. Gleichzeitig wollen wir ein rot-rot-grünes Bündnis verhindern. Deshalb müssen wir uns auch auf eine Situation einstellen, bei der unser Ziel vielleicht nicht aufgeht, eine Zweier-Koalition zu bilden.

Frage: Sie werfen der Union, der SPD und den Grünen einen Linksruck vor. Wird es für die FDP nicht immer schwieriger, einen Partner zu finden?
WESTERWELLE: Das ist sicherlich nicht leichter geworden, nachdem Friedrich Merz an der Union verzweifelt, Wolfgang Clement an der SPD und Oswald Metzger sich von den Grünen verabschiedet hat.

Frage: Muss sich die FDP verändern?
WESTERWELLE: Nein. Wir bleiben bei unserem Weg, den wir nicht aus taktischen Gründen beschlossen haben, sondern aus Überzeugung. Es gibt nur zwei Parteien, die bei den Wahlen seit 2005 insgesamt Erfolge hatten: die FDP und die Linkspartei. Das liegt bei aller Gegensätzlichkeit daran, dass beide Parteien in ihren Aussagen klar sind. Die Wischi-Waschi-Parteien haben dagegen verloren. Die FDP bleibt dabei: Nur mit einer Reform der sozialen Marktwirtschaft kann der Wohlstand in Deutschland erhalten werden. Die Schere zwischen Arm und Reich wird größer und die Mittelschicht droht abzurutschen. Darum muss man sich sorgen.

Frage: Wie wollen Sie das Programm durchsetzen, wenn die übrigen Parteien andere Wege gehen?
WESTERWELLE: Je mehr wir wachsen, umso mehr Einfluss können wir auf die anderen Parteien ausüben.

Frage: Sie hatten gute Wahlergebnisse. Trotzdem reichte es nicht, weil die Union im Bund und in Hessen so schwach war...
WESTERWELLE: Niedersachsen hat gezeigt: Wenn Union und FDP gemeinsam auf eine Koalition setzen, dann können auch im Fünfparteiensystem klare Mehrheiten zustande kommen. Der Kurs von Christian Wulff sollte der Kurs der Bundes-CDU werden und nicht das Irrlichtern.

Frage: Sehen Sie programmatisch noch Änderungsbedarf?
WESTERWELLE: Die Bildungspolitik müssen wir noch stärker betonen. Es gibt in keinem vergleichbaren Industrieland einen so verheerenden Zusammenhang zwischen Herkunft und Bildungschancen. Die Linke – damit meine ich SPD, Grüne und Linkspartei – setzt auf die Einheitsschule. Sie schert alle über einen Kamm und vergisst dabei, dass Menschen unterschiedlich begabt sind und wir deshalb ein maßgeschneidertes Bildungssystem für die Schüler brauchen. Die Konservativen vertreten eine Bildungspolitik, die einen sozialen Aufstieg nicht ermöglicht. Die FDP will ein durchlässiges Bildungssystem, das Chancengleichheit bietet. Alle jungen Menschen müssen die Möglichkeit erhalten, sich von ganz unten noch ganz oben vorzuarbeiten.

Frage: Wie?
WESTERWELLE: Das Ganztagsangebot muss ausgebaut werden. Zudem muss der Sprung von der Hauptschule zur Realschule und von dort zum Gymnasium stärker als bislang erleichtert und gefördert werden. Es ist ein Segen, wenn man als Schüler dabei Hilfe bekommt und nicht nur Gleichgültigkeit erfährt. Das weiß ich als früherer Realschüler aus ganz persönlicher Erfahrung.

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