Montag, 14. Januar 2008

Berlin. Der FDP-Partei- und -Fraktionsvorsitzende DR. GUIDO WESTERWELLE gab dem „Hamburger Abendblatt“ (14.1.2008) das folgende Interview. Die Fragen stellte CHRISTOPH RYBARCZYK und MARIUS SCHNEIDER:

Frage: Herr Westerwelle, sind Sie ein eifersüchtiger Mensch? Die FDP als Lieblingsmätresse der CDU im Bund und auch in Hamburg musste ja plötzlich feststellen, dass der Wunschpartner der Hamburger CDU plötzlich die Grünen sind. Wie gehen Sie damit um?
WESTERWELLE: Ich habe Ole von Beust, wenn Sie ihn meinen, schon eine Menge freundlicher Gefühle entgegengebracht, Eifersucht war nicht dabei.

Frage: Ist es nicht trotzdem problematisch, wenn er mit den Grünen flirtet?
WESTERWELLE: Je mehr die CDU in Hamburg mit den Grünen flirtet, um so besser für das Wahlergebnis der FDP. Es gibt zahlreiche bürgerliche Wähler der Mitte in Hamburg, die wollen alles, nur nicht die Grünen in der Regierung.

Frage: Reicht Ihre Strategie der Verhinderung, um Sie wieder in die Bürgerschaft und dann auch wieder in die Regierungsverantwortung zu bringen?
WESTERWELLE: Die FDP hatte bei der letzten Bundestagswahl fast zehn Prozent in Hamburg. Bei der Bürgerschaftswahl können wir ein Ergebnis um die sieben Prozent schaffen, vielleicht sogar drüber. Es steht in Hamburg auf Spitz und Knopf, ob es eine linke Mehrheit gibt aus SPD, Grünen und Linkspartei oder ob die FDP als bürgerliche Kraft der Mitte für eine Regierung gebraucht wird.

Frage: Die SPD will aber nicht mit den Linken. . .
WESTERWELLE: Herr Naumann ist eitel genug, um auf das Amt des Ersten Bürgermeisters von Hamburg nicht zu verzichten, wenn er dazu die Chance bekommt. Die Grünen haben eine Linksdrift, erst recht in Hamburg. Sie werden sich immer für die SPD zuerst entscheiden und wenn alles nichts hilft, werden sich beide Parteien auch durch die Linkspartei tolerieren lassen. Die FDP ist die letzte verbliebene freiheitliche politische Kraft in Deutschland, die diesen Linksrutsch, von dem auch die Union infiziert ist, nicht mitmacht. Die FDP sagt, zur sozialen Marktwirtschaft gehört soziale Gerechtigkeit, aber zuallererst gehört dazu Leistungsgerechtigkeit.

Frage: Die steht auch im CDU-Programm.
WESTERWELLE: Dass die CDU die Leistungsgerechtigkeit faktisch vergessen hat, indem sie staatliche Monopole durch die Einführung der staatlichen Lohnfestsetzung zur Ausschaltung privater Konkurrenz einführt, ist ja ein Grund, die FDP zu stärken.

Frage: Dass die CDU der SPD beim Mindestlohn entgegengekommen ist, hat sicher auch mit Koalitionsdisziplin zu tun.
WESTERWELLE: Entschuldigen Sie mal, niemand hat die CDU gezwungen, einen staatlichen Monopolisten durch die Einführung eines staatlichen, festgesetzten Lohnes vor privater inländischer Konkurrenz zu schützen mit dem Ergebnis, dass Tausende von Arbeitsplätzen in diesen privaten Briefzustellungsunternehmen jetzt zerstört werden. Wenn es dem sozialdemokratischen Bundeskanzler Gerhard Schröder mit einem Wirtschaftsminister Wolfgang Clement über fast ein Jahrzehnt gelungen ist, die staatliche Lohnfestsetzung als Eingriff in die Tarifautonomie und soziale Marktwirtschaft gegen die eigene Linke abzuwehren, hätte das der christdemokratischen Kanzlerin mit einem christsozialen Wirtschaftsminister erst recht gelingen müssen.

Frage: Kommt der Aufschwung bei den Bürgern an?
WESTERWELLE: Wer wie SPD und Union die größte Steuererhöhung in der Geschichte der Republik zu verantworten hat, kann nicht ernsthaft von Leistungsgerechtigkeit sprechen. Die Tatsache, dass der Aufschwung bei den Bürgern nicht ankommt und bald schon fast wieder vorbei ist, ist doch ausschließlich auf die Politik von Schwarz-Rot zurückzuführen, die den Menschen immer weniger Netto vom Brutto gönnt. Die Netto-Frage ist die eigentliche soziale Frage für diejenigen, die das Land tragen, sprich die vergessene Mitte. Eine durchschnittliche vierköpfige Familie hatte im Jahr 2007 wegen der maßlosen Steuern- und Abgabenerhöhungen der Bundesregierung 1600 Euro weniger in der Tasche. Dazu tragen bei die höhere Mehrwertsteuer, die höhere Versicherungssteuer, die gestrichene Eigenheimzulage, die gestrichene Pendlerpauschale, der niedrigere Sparerfreibetrag, die höhere Pflegeversicherung, die höheren Rentenbeiträge und die teure Planwirtschaft im Gesundheitswesen. Wir haben eine Gerechtigkeitslücke in Deutschland. Aber sie wurde geschaffen durch die Politik der schwarz-roten Bundesregierung.

Frage: Beispiel Gesundheitsfonds. Frau Merkel hat gesagt, dass der Fonds 2009 in jedem Fall kommt. Ihre Antwort?
WESTERWELLE: Und ich sage Ihnen, ich werde einen Koalitionsvertrag nur unterzeichnen, in dem ein niedrigeres, einfacheres und gerechteres Steuersystem vereinbart worden ist, weil mehr Netto vom Brutto das Gebot der Leistungsgerechtigkeit ist und nur mehr Netto vom Brutto die Gerechtigkeitslücke in Deutschland schließt. Und wir werden die Planwirtschaft im Gesundheitswesen, wie sie durch den Gesundheitsfonds eingeführt worden ist, durch Wahlfreiheit für Versicherte und mehr Wettbewerb bei den Versicherungen beenden.

Frage: Sie klingen, als hätten Sie als Gewinner nach der Bundestagswahl 2009 bereits das Tableau mit den FDP- und CDU-Ministern vor sich.
WESTERWELLE: Ich sehe in einer Regierungsbeteiligung nicht den eigentlichen Zweck. Sondern die Regierungsbeteiligung ist für meine Partei Mittel zum Zweck, den Politikwechsel weg von der bürokratischen Staatswirtschaft hin zur sozialen Marktwirtschaft zu ermöglichen. Dass ich das ernst meine, habe ich bereits am Wahlabend der Bundestagswahl 2005 bewiesen, als Herr Schröder uns in einem bemerkenswerten Fernsehauftritt ja entsprechende Regierungsbeteiligungen mehr oder weniger öffentlich angeboten hat. Wir haben Wort gehalten.

Frage: Beim Thema Energie stehen Sie mit der Klima-Kanzlerin Merkel und ihrem Beauftragten von Beust auf Kriegsfuß. Warum wollen Sie nicht auf die Kernenergie verzichten?
WESTERWELLE: Die Vorstellung, Hamburg wird eine Insel der Seligen und holt die Energie aus dem Ausland, aus viel unsicheren Kraftwerken, überzeugt den nachdenkenden Menschen nicht. Die Energiefrage ist der Brotpreis unserer Zeit. Der Staat ist der größte Preistreiber bei der Energie. Dass England und Frankreich die CO2-freie Kerntechnik ausbauen und Deutschland die besten und sichersten Kraftwerke aufgibt, ist eine ökonomische und ökologische Torheit, die wir beenden wollen.

Frage: Ihr Parteikollege Wolfgang Gerhardt hat die One-Man-Show der FDP und Sie kritisiert. Wo ist der FDP-Nachwuchs?
WESTERWELLE: Die FDP wäre ja nicht über Jahre so erfolgreich und als dritte Kraft etabliert, wenn wir nicht so ein erfolgreiches Team wären. Wir sind eine Mischung aus erfahrenen und jungen, drängenden Leuten. In Norddeutschland verweise ich auf erfahrene Persönlichkeiten wie Hinnerk Fock und jüngere, wie Philipp Rösler, den Spitzenkandidaten der FDP in Niedersachsen, der mit Mitte 30 als Landes- und Fraktionsvorsitzender eine enorme Verantwortung übertragen bekommen hat und seine Aufgabe hervorragend meistert. Das zeigt, dass wir jungen Leuten etwas zutrauen.

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