Sonntag, 13. Januar 2008

Berlin. Der FDP-Partei- und -Fraktionsvorsitzende DR. GUIDO WESTERWELLE gab dem „Weser-Kurier“ (13.1.2008) das folgende Interview.

Frage: 2008 ist erst wenige Tage alt. Wird das nicht ein trauriges Jahr werden, Herr Westerwelle, wo doch die FDP im Herbst seit genau zehn Jahren in der Opposition ist?
WESTERWELLE: Zugleich begehen wir bald das Jubiläum 60 Jahre FDP. Die Bilanz der FDP in der Geschichte unserer Republik ist außerordentlich positiv. Deutschland ist immer gut damit gefahren, wenn es von der Mitte aus regiert wird und wenn die politischen Ränder nichts zu sagen hatten. Deswegen werden wir auch 2009 wieder Regierungsverantwortung erhalten.

Frage: Apropos "Mitte". Da wollen außer den Linken momentan alle hin. Wäre es für die FDP nicht besser, sich klar als Partei der Wirtschaft und des Wettbewerbs zu positionieren?
WESTERWELLE: "Mitte" heißt ja nicht, dass man in seinen Aussagen nicht eindeutig wäre. Wir machen wirtschaftsfreundliche Politik, weil das die Vorraussetzung für soziale Gerechtigkeit ist. Die anderen Parteien haben im Jahr 2007 einen bedauernswerten Linksrutsch vollzogen. Erst sind SPD und Grüne der Linkspartei hinterher gerannt, jetzt rennt die Union der SPD hinterher. Wir verstehen unter "Mitte" etwas anderes als die Union, die eine staatliche Lohnfestsetzung mitmacht. "Mitte" ist für uns soziale Marktwirtschaft mit Leistungsgerechtigkeit. „Mitte“ ist für uns, dass der Aufschwung endlich bei denen ankommt, die den Karren ziehen.

Frage: Wie dringend ist es denn für Sie und Ihre Partei, 2009 die Oppositionsbänke endlich verlassen zu können?
WESTERWELLE: Wir hätten ja längst regieren können. Dann säße ich heute zwischen Herrn Schröder und Herrn Fischer auf der Regierungsbank. Alle waren schließlich Zeuge eines bemerkenswerten Fernsehauftrittes mit entsprechenden Angeboten noch am Abend der Bundestagswahl 2005. Aber wir hatten unseren Wählern einen Politikwechsel versprochen, und wir haben das auch gehalten. Ja, wir wollen regieren – aber das ist nur das Mittel. Unser Ziel ist nicht der bloße Machtwechsel, sondern der Politikwechsel.

Frage: Lassen Sie uns zu einer Frau kommen, die Sie sehr gut kennen und mit der Sie eine Koalition eingehen wollen. Wissen wenigstens Sie, wo Angela Merkel von tiefstem Herzen politisch steht? Ist sie die vermeintlich neoliberale Oppositionsführerin des Leipziger Parteitages von 2003? Oder ist sie die sozialdemokratisierte Kanzlerin von 2007?
WESTERWELLE: Es ist nicht an mir, politische Mitbewerber zu interpretieren. Ich muss mich mit ihrer Politik auseinandersetzen…

Frage: …aber Sie müssen doch eine Vorstellung davon haben, mit wem Sie eine Regierung bilden wollen. Glauben Sie, Angela Merkel gegebenenfalls wieder in Richtung Liberalismus "umdrehen" zu können?
WESTERWELLE: Wenn die FDP stark ist – und die Wahlergebnisse der vergangenen Jahre sprechen dafür –, dann werden wir auch einen politischen Einfluss geltend machen können, der den Politikwechsel mit sich bringt. Wir bleiben ganz altmodisch bei der Auffassung, dass sich Leistung lohnen muss und dass derjenige, der arbeitet, auch mehr haben muss als derjenige, der nicht arbeitet. Deshalb werde ich einen Koalitionsvertrag nur unterschreiben, wenn darin ein einfacheres, niedrigeres und gerechteres Steuersystem steht. Wir kämpfen für mehr Netto vom Brutto – dafür, dass dem Bürger vom Staat weniger Geld aus der Tasche genommen wird.

Frage: Wie bewerten Sie denn die Signale aus Hamburg, also das Werben des Ersten Bürgermeisters Ole von Beust um die Grünen? Ist das nicht eine große Gefahr für die FDP, als Partner der CDU überflüssig zu werden?
WESTERWELLE: Im Gegenteil, das ist ein Grund für viele Wähler der bürgerlichen Mitte, FDP zu wählen, denn Schwarz-Grün wäre ja von den Ergebnissen her nichts anderes als Rot-Grün. Dann würde es keine mittelstandsorientierte, vernünftige Wirtschaftspolitik geben und keine Verkehrspolitik, die sich an den Realitäten orientiert. Dann würde es eine Fortsetzung des Weges in die bürokratische Staatswirtschaft geben. Wer übrigens von Schwarz-Grün in Hamburg träumt, der kann sehr schnell bei Rot-Rot-Grün aufwachen. Herr Naumann ist eitel genug, in dem Augenblick, in dem er die Chance hat, Erster Bürgermeister zu werden, es auch zu wollen – und sei es um den Preis der Tolerierung durch die Linkspartei.

Frage: Wie stehen Sie zum jüngst erhobenen Vorwurf, dass die FDP mit Ihnen als Partei- und Fraktionschef zur One-Man-Show geworden sei?
WESTERWELLE: Die FDP ist eine gute Mischung aus erfahrenen Persönlichkeiten wie dem Steuer- und Finanzexperten Hermann Otto Solms und dem Anwalt des Mittelstandes, Rainer Brüderle, und jungen Talenten. Die Tatsache, dass Philipp Rösler mit Mitte 30 bereits Spitzenkandidat der niedersächsischen FDP ist, zeigt, dass wir unseren jüngeren Führungspersönlichkeiten echte Chancen geben.

Frage: Von Niedersachsen noch kurz zu einem anderen Land, in dem bald gewählt wird. In Hessen könnte es von der FDP abhängen, ob der Christdemokrat Roland Koch weiter Ministerpräsident bleiben darf. Graut es Ihnen davor nicht ein wenig angesichts seiner Kampagne gegen ausländische Straftäter?
WESTERWELLE: Im Gegenteil. Unser Ziel in Hessen ist es, dafür zu sorgen, dass es keine linke Mehrheit im Landtag gibt, aber gleichzeitig auch sicher zu stellen, dass Schwarz nicht abheben kann. Roland Koch braucht ein liberales Korrektiv. Deswegen ist es eine gute Nachricht, dass er auf die FDP als Koalitionspartner angewiesen sein wird. Bei jungen Straftätern ist es besonders wichtig, dass die Strafe der Tat auf dem Fuße folgt. Deswegen bedauere ich, dass Hessen zusammen mit Brandenburg die längste Strafverfahrensdauer bundesweit hat. Übrigens: Wo die FDP regiert – in Baden-Württemberg mit dem liberalen Justizminister – werden Strafverfahren am schnellsten durchführt.

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