Rede von Dr. Guido Westerwelle im Deutschen Bundestag am 14. November 2007
Aktuelle Stunde zu den Auswirkungen der Entscheidungslosigkeit der schwarz-roten KoalitionRede im Deutschen Bundestag am 14. November 2007
(Stenographisches Protokoll)
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es wäre schlechterdings undenkbar, dass ein Ereignis wie das, das in den letzten 24 Stunden stattgefunden hat, parlamentarisch nicht aufgearbeitet wird. Ich bin der Überzeugung: Es ist notwendig und richtig, dass die Opposition hier gemeinsam eine Aktuelle Stunde beantragt hat.
Bevor ich etwas zu den Ergebnissen, besser gesagt: Nichtergebnissen der Koalitionsrunde sage, möchte ich ganz sicher auch im Namen der Kolleginnen und Kollegen Herrn Arbeitsminister Müntefering unseren Respekt zum Ausdruck bringen. Wir wünschen ihm persönlich sehr viel Kraft. Wir hoffen von Herzen ich denke, wir dürfen das so sagen , dass seine Familie diese schweren Stunden gut überstehen wird. Wir fühlen mit ihm. Das möchte ich gleich am Anfang über die Parteigrenzen hinweg sagen.
Herr Minister Müntefering hat für seinen Entschluss, aus dem Amt zu scheiden, familiäre Gründe angegeben. Dieser Entschluss wird das ist unumstritten erhebliche politische Auswirkungen haben. Man kann lange über die Ursachen reden. Die politischen Folgen dieses Rücktritts sind ganz offensichtlich. Wir werden feststellen, dass diese Koalition weiter destabilisiert wird. Sie hat sich schon am Montagabend im Wesentlichen nicht mehr bei dem einigen können, was zur Einigung anstand. Diese Koalition verwaltet sich mittlerweile. Sie trifft sich darin, dass sie einig ist, uneinig zu sein, und sie hält es schon für einen politischen Erfolg, dass sie nicht auseinanderplatzt.
Die Tatsache, dass diese Regierung noch im Amt ist, ist bedauerlich, aber noch kein Erfolg der Koalition. Ein Erfolg der Koalition wird daran gemessen, ob etwas Gescheites für Deutschland herauskommt.
Dass die Koalition ihren eigenen Erfolg augenscheinlich aufgegeben hat und sich letzten Endes nur noch auf den Wahlkampf vorbereitet bzw. in den Wahlkampf verabschiedet, kann man daran erkennen, dass der SPD-Vorsitzende, Kurt Beck, nicht in das Kabinett eintreten will. Er hat das gestern im RTL-Nachtjournal interessant begründet: Er wolle nicht in die Kabinettsdisziplin von Frau Merkel eingebunden werden; denn als Minister von Frau Merkel könne er auch entlassen werden. Das ist eine wunderbare Charakterisierung dieser Koalition und ihrer Selbstbefindlichkeit.
Was haben Sie alles an die Adresse von Herrn Stoiber gesagt, als er nicht von München nach Berlin gehen wollte? Der eine will nicht von München nach Berlin und verweigert sich der Verantwortung, und der andere will nicht von Mainz nach Berlin und verweigert sich der Verantwortung. Wo ist der Unterschied? Ihr Stoiber heißt Beck, meine Damen und Herren von der SPD.
Sie verwalten sich. Sie sind nicht mehr in der Lage, zusammenzufinden. Sie haben den Wahlkampf eröffnet. Das ist mit Sicherheit nicht das, was Deutschland braucht. Ein Dauerwahlkampf von zwei Jahren, was für eine schreckliche Vorstellung, nicht nur für die Bürgerinnen und Bürger, sondern mit Sicherheit auch für viele Betrachter außerhalb unseres Landes, die sich überlegen, ob sie in Deutschland investieren und Arbeitsplätze schaffen sollen!
Meine Damen und Herren, am Montagabend haben Sie sich in einer Frage geeinigt. Es ist interessant, was Sie mittlerweile "seriöse Gegenfinanzierung" nennen. Sie haben sich darauf geeinigt, dass das Arbeitslosengeld etwas länger gezahlt wird. Dazu will ich zunächst eine Vorbemerkung machen: Viel vernünftiger als die längere Begleitung von Arbeitslosigkeit wäre es, alle Möglichkeiten für eine Beitragssenkung zu nutzen, damit Menschen, die Arbeit suchen, auch Arbeit finden.
Nicht die längere Begleitung von Arbeitslosigkeit, sondern die Verkürzung von Arbeitslosigkeit ist das Gebot der Stunde.
Sie haben eine Gegenfinanzierung beschlossen, die allerdings wirklich ihresgleichen sucht. Sie sagen, es sei eine solide Gegenfinanzierung, dass Sie die Altersstaffelung verändert haben, sodass 300 Millionen Euro nicht mehr anfallen. Das heißt, wenn Sie im Gegensatz zu dem, was Sie ursprünglich beabsichtigt haben, 300 Millionen Euro weniger ausgeben, als Sie ausgeben wollten, nennen Sie das schon Gegenfinanzierung. Jeder Unternehmer, der so rechnen würde, wäre längst pleite. Das ist nur noch absurd.
Sie wollen jetzt 500 Millionen Euro finanzieren, indem Sie das Geld aus nicht abgerufenen Mitteln der Bundesagentur beiziehen. Sie vergessen dabei jedoch, dass es sich hierbei schließlich nicht um Mittel handelt, die frei sind, sondern dass es sich um Mittel handelt, die aufgebracht worden sind. Das Allerschlimmste aber ist, dass es in Wahrheit Einmalerscheinungen im Haushalt sind. Dass Sie damit Dauerleistungen finanzieren wollen, zeigt, dass Sie sich eine solide Finanzpolitik nicht einmal vorstellen können, geschweige denn sich darauf einigen könnten.
Ich komme zum Schluss. Was die Frage des Mindestlohns angeht
Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt:
Herr Kollege, Sie müssten langsam zum Schluss kommen.
Dr. Guido Westerwelle (FDP): Vielen Dank, Frau Präsidentin. Ich komme zum letzten Gedanken.
Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt: Zum letzten Satz.
Dr. Guido Westerwelle (FDP): Zum letzten Satz. Ich will dazu einen letzten Satz sagen. Herr Kollege Lafontaine, meine Damen und Herren, was nützt den Bürgern ein höherer Bruttomindestlohn, wenn diese Regierung den Bürgern netto immer weniger lässt? Dass jetzt Tarifverhandlungen im Kanzleramt geführt werden sollen, schafft Arbeitslosigkeit, weil es der Abschied von der Tarifautonomie ist.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
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