Samstag, 16. Februar 2008

Deutschland in der Gerechtigkeitsfalle

Berlin. Der FDP-Partei- und -Fraktionsvorsitzende DR. GUIDO WESTERWELLE gab dem Bonner „General-Anzeiger“ (16.2.2008) das folgende Interview. Die Fragen stellte ULLA THIEDE:

Frage: Wie bewerten Sie den Rücktritt von Postchef Klaus Zumwinkel?
WESTERWELLE: Der Rücktritt von Herrn Zumwinkel ist richtig, weil sich ein so internationales Unternehmen mit so vielen Beschäftigten keine Hängepartie in seiner Führung erlauben kann. Unabhängig davon, ob die Vorwürfe gegen Herrn Zumwinkel zutreffen oder nicht, gilt es, Schaden von einem der wichtigsten deutschen Unternehmen abzuwenden.

Frage: Ist das Ansehen der Manager mit dem Fall Zumwinkel endgültig ramponiert?
WESTERWELLE: Herr Zumwinkel hat wie jeder Bürger das Recht, dass mit den gegen ihn erhobenen Vorwürfen rechtsstaatlich, und das heißt ohne Vorverurteilungen, umgegangen wird. Deshalb kann ich nur allgemein antworten: Schwarze Schafe gibt es in der Wirtschaft wie in jedem Gesellschaftsbereich, sogar in der Kirche. Niemand sollte deshalb auf die Idee kommen, die soziale Marktwirtschaft als Ganzes in Frage zu stellen. Dies ist keine Krise der sozialen Marktwirtschaft, sondern im Gegenteil ein Zeichen dafür, dass die Kontrolle in einem freiheitlichen Rechtsstaat funktioniert. Wenn Skandale aufgedeckt werden, zeigt das, dass das System funktioniert. Sorgen muss man sich machen, wenn nichts herauskommt, weil alles unter den Teppich gekehrt wird.

Frage: Andersherum gefragt: Sollten Unternehmensführer auch moralische Vorbilder sein?
WESTERWELLE: Jeder, der im öffentlichen Leben steht, trägt eine besondere moralische Verantwortung. Deshalb ist richtig: Das Fehlverhalten von Einzelnen, das man nicht verallgemeinern kann, ist umso schlimmer, je herausgehobener die öffentliche Stellung des Betroffenen ist.

Frage: Steuerhinterziehung ist die eine Sache, hohe Abfindungen eine andere, wenn sie unternehmerische Misserfolge belohnen. Warum kommt es immer wieder vor, dass Aufsichtsräte nicht richtig Aufsicht üben?
WESTERWELLE: Es ist nicht die Aufgabe des Staates, Gehälter, Abfindungen oder Gagen für Manager, Fußballspieler oder Operndiven festzusetzen, mögen sie uns auch noch so spektakulär oder unangemessen erscheinen. Das ist Angelegenheit der Eigentümer, also bei einer Aktiengesellschaft der Aktionäre. Auch da warne ich vor Pauschalierungen. Wenn jemand wie der Porsche-Chef mit hohem persönlichem Risiko in ein marodes Unternehmen einsteigt und anderthalb Jahrzehnte später diese Firma zu einem der international bestaufgestellten Autokonzerne gemacht hat, bei gleichzeitiger Schaffung von Tausenden von Arbeitsplätzen, dann haben wir zu respektieren, wenn die Eigentümer den Manager auch an dem großen wirtschaftlichen Erfolg teilhaben lassen wollen.

Frage: Der Ruf in der Politik nach Begrenzung der Managergehälter wird aber lauter!
WESTERWELLE: Wenn SPD, Grüne und Linkspartei mit dem Finger auf Fehler in der Wirtschaft weisen, zeigen mindestens vier Finger auf sie zurück. Dass im Zuge der US-Immobilienkrise eine Staatsbank nach der anderen – für die Regierungen Aufsichtsverantwortung tragen – in Schwierigkeiten gerät, zeigt zweierlei: Dass es sich bei der pauschalen Managerschelte mehr um eine parteipolitische Kampagne als um sachlich motivierte Kritik handelt, und dass der Staat sich bei Bankgeschäften zurückhalten sollte. Bei der IKB ist die Staatsbank KfW gegen die wirtschaftliche Vernunft und gegen den Widerstand der FDP Anfang dieses Jahrzehnts unter Rot-Grün eingestiegen. Jetzt hat sich die IKB auf dem internationalen Markt verzockt – und die Bundesregierung versucht, sie mit sechs Milliarden Euro zu retten. Bundesfinanzminister Steinbrück hat noch nicht die Frage beantwortet, welche persönliche Verantwortung er dafür zu übernehmen bereit ist, dass dort Milliarden Steuergelder verbrannt wurden.

Frage: Sehen Sie unsere Gesellschaft auseinanderdriften in „die da oben“ und „die da unten“?
WESTERWELLE: Die Wohlstandsspreizung ist in Deutschland etwa genauso groß wie in Schweden. Die Tatsache, dass es einige skurrile und gelegentlich empörende Beispiele gibt, wird mich nicht dazu bringen, die von den linken Parteien empfohlene Alternative – mehr Staatswirtschaft – besser zu finden. Dass bei sozialistischem Volkseigentum weniger Fehler und Missbrauch passieren, halte ich angesichts der Erfahrungen in unserer eigenen Geschichte für groben Unfug. Der Unterschied zur sozialen Marktwirtschaft: Bei uns kommen die Fehler und Missgriffe regelmäßig heraus. Viel schlimmer wäre es doch, wenn Fehltritte unentdeckt blieben.

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