Berlin. Der FDP-Partei- und -Fraktionsvorsitzende DR. GUIDO WESTERWELLE schrieb für die „Welt am Sonntag“ (20.01.2008) den folgenden Gastbeitrag:
„In den USA werden sich Republikaner und Demokraten innerhalb kürzester Zeit einig, dass massive Steuerentlastungen für die breite Mitte der Gesellschaft das grundsätzlich richtige Rezept gegen eine konjunkturelle Eintrübung sind. Das muss die deutsche Regierung aufhorchen lassen: Die Koalition sollte das am Freitagabend von Präsident Bush verkündete Steuersenkungspaket mit einem Volumen von rund 145 Milliarden Dollar zum Anlass nehmen, endlich selbst ein konkretes Programm zur Steuerentlastung all jener zu erarbeiten, die bei uns den Karren ziehen.
Wer in der Bundesrepublik die Mitte nicht am Aufschwung teilhaben lässt, läuft Gefahr, dass der Aufschwung vorbei ist, noch ehe er die meisten Bürger erreicht. Gerade jetzt, wo die Weltwirtschaft nicht mehr so rund läuft, brauchen wir ein einfacheres, niedrigeres und gerechteres Steuersystem nach dem Prinzip „mehr Netto vom Brutto“. Was in Amerika eine Rezession verhindern soll, könnte in Deutschland den Aufschwung verlängern – dazu brauchen wir mehr Leistungsgerechtigkeit.
Leider verschanzt sich Schwarz-Rot hinter der Illusion, Deutschland befinde sich auf einem „stabilen Wachstumspfad“. Das hat die Koalition am Freitag erneut erklärt. Doch für dieses Jahr sagt die Regierung selbst ein Wachstum mit einer 1 vor dem Komma voraus – das ist an der Beschäftigungsschwelle, oder sogar darunter. So entstehen keine neuen Arbeitsplätze.
Richtig ist, dass wir keine staatlichen Konjunkturprogramme auf Pump brauchen. Solche Strohfeuer sind sogar schädlich. Und wir haben nicht zu wenig Schulden, sondern zu viele, weil zwar die Einnahmen des Staates steigen, die Ausgaben aber leider noch schneller.
Falsch ist es aber, zu behaupten, wir bräuchten keine baldigen Steuerentlastungen oder könnten uns jetzt keine leisten. Durch Sparsamkeit wären diese im Bundeshaushalt zu finanzieren. Solche konkreten Spar-Vorschläge hat die FDP-Fraktion in rund 400 einzelnen Initiativen und kompakt in ihrem „Liberalen Sparbuch“ präsentiert.
Alle wichtigen Präsidentschaftskandidaten in Amerika setzen auf Entlastungen der Bürger. Bei den Demokraten will Hillary Clinton den Durchschnittsverdienern 40 Milliarden Dollar Steuern weniger abnehmen; Barack Obama möchte jedem einzelnen Arbeitnehmer sofort 250 Dollar Erleichterung verschaffen – und 500 Dollar, wenn die Wirtschaftslage sich weiter verschlechtert. Der Republikaner John McCain will die Unternehmensteuern von 35 auf 25 Prozent senken und Forschungsinvestitionen begünstigen. Mitt Romney will die Steuer auf Kapitalerträge, Zinseinnahmen und Dividenden abschaffen. Rudy Giuliani möchte den Spitzensteuersatz auf 30 Prozent drücken und sowohl die Unternehmensteuer als auch die Kapitalertragsteuer senken.
Es geht nicht darum, ob jede dieser Maßnahmen auf Deutschland übertragbar wäre. Es geht darum, dass in den USA der Wille zum Handeln sichtbar ist – jetzt. Die Ideen konkurrieren, das Ziel ist ein gemeinsames: mehr finanzielle Freiheit für den Bürger. Während bei uns zu oft Symbolthemen wie Managergehälter debattiert werden, macht sich Amerika an die spürbare Entlastung der Familien.
Wir stehen, anders als die USA, nicht am Rande einer Rezession. Aber unser Aufschwung schwächelt. Die Inflation steigt. Es werden weniger Häuser gebaut und weniger Autos gekauft. Das Wirtschaftswachstum lahmt. Schwarz-Rot sollte jetzt handeln, statt sich in einem aggressiven Dauerwahlkampf zu lähmen. Die Kanzlerin hat am Dienstag gesagt, wir hätten zwar ein „weltwirtschaftlich schwierigeres Umfeld“, über steuerliche Entlastungen dürfe aber erst 2011 gesprochen werden. Das ist viel zu spät. Die Zeche für dieses Nichtstun zahlen die Bürgerinnen und Bürger. Sie haben kaum etwas von einem Aufschwung gehabt, der bald vorbei sein könnte. Es sei denn, es wird gehandelt.“
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