Montag, 7. Januar 2008

Ärger in der FDP und Westerwelle ist glücklich

Berlin. Der FDP-Partei- und -Fraktionsvorsitzende DR. GUIDO WESTERWELLE gab der „Schwäbischen Zeitung“ (Samstag-Ausgabe) das folgende Interview. Die Fragen stellte SABINE LENNARTZ:

Frage: Mit einem Paukenschlag hat sich Wolfgang Gerhardt zurückgemeldet und auf eine FDP jenseits von Westerwelle aufmerksam gemacht. Im Prinzip fordert er mehr Tiefgang. Ärgert Sie das?
WESTERWELLE: Mir ist jeder Diskussionsbeitrag willkommen, der die FDP als letzte verbliebene freiheitliche Kraft im Deutschen Bundestag stärkt.

Frage: Das heißt, Sie halten die Kritik für unangebracht?
WESTERWELLE: Wir halten Kurs, auch ich persönlich. Es sollte uns nicht um Selbstbespiegelung gehen, sondern um den Politikwechsel weg von der bürokratischen Staatswirtschaft hin zu einer erneuerten sozialen Marktwirtschaft mit mehr Freiheit und Wohlstand für alle, das ist meine Botschaft.

Frage: Vor dieser Marktwirtschaft und ihrer Dynamik haben ja viele Angst. Den Liberalen gelingt es nicht, die Bürger emotional zu erreichen, sagt Gerhardt.
WESTERWELLE: Wir sind dritte Kraft. Vor Jahren lagen wir bei fünf Prozent, jetzt bei rund zehn. Wir sind in zwölf und nicht mehr vier Landtagen vertreten, wir sind wieder im Europaparlament, einiges müssen wir wohl richtig machen.

Frage: Sind Teile der FDP undankbar? Schließlich hatte die FDP vor Ihrer Zeit als Chef eine Serie von Wahlniederlagen.
WESTERWELLE: Nur wenn wir bei Wahlen erfolgreich sind, können wir liberale Politik machen. Bei Landtagswahlen kann man sich nicht zu Tode siegen, sondern nur zu Tode verlieren.



Frage: Marktwirtschaft, Bildung, Außenpolitik, und Bürgerrechte, auf diesen Feldern soll sich laut Gerhardt die FDP noch mehr profilieren. Wo sind Defizite?
WESTERWELLE: Unsere gemeinsame Strategie ist klar, wir wollen unsere Kompetenzen verstärken und verbreitern. Deswegen haben wir Jahr für Jahr und Schritt für Schritt mit unserer programmatischen Arbeit dieses Ziel verfolgt. Beispielsweise ist unser besonderes Augenmerk auf die Kulturpolitik nicht sehr schlagzeilenträchtig, aber doch für das Lebensgefühl einer liberalen Gesellschaft von großer Bedeutung. Wir haben es in der FDP mit einer sehr guten Generationsmischung geschafft, im Team so erfolgreich zu sein.

Frage: Welche Oldies haben Sie denn noch im Team? Gerhardt soll auch mit Lambsdorff und Genscher gesprochen haben. Fehlen Ihnen nicht erfahrene Kräfte?
WESTERWELLE: Ich denke an Goldies, beispielsweise an Hermann Otto Solms, ein über Parteigrenzen hinweg anerkannter Steuerexperte, oder Rainer Brüderle, der als echter Anwalt des Mittelstandes angenommen wird. Wir haben aber auch sehr junge, frische Persönlichkeiten wie den niedersächsischen Spitzenkandidaten Philipp Rösler. Die FDP wäre nicht so erfolgreich, wenn wir kein ausgewogenes Team wären.

Frage: Gibt es da Wahrnehmungsdefizite? Auch aus der CDU hört man, die FDP sei nur noch Westerwelle.
WESTERWELLE: Das ist eine Retourkutsche. Die CDU ärgert sich, dass ich die Finger in die Wunde ihres Linksrutsches lege. Alle anderen Parteien rutschen nach links, wir bleiben in der Mitte. Das Jahr 2008 wird für die FDP das Jahr der Leistungsgerechtigkeit. Es wird über alles in Deutschland geredet, über jedes Extrem, aber nicht über diejenigen, die das Land tragen: Die Mittelschicht, die dafür sorgt, dass Deutschland überhaupt funktioniert. Wir müssen endlich über die reden, die ganz normal leben, die keine Subvention und keine Sozialstaatsbezüge bekommen, die aber auch ihre Familien zu versorgen haben. Diese Bürger müssen bei Steuern, Abgaben und Bürokratie endlich entlastet werden. Ich will nicht, dass der Aufschwung vorbei ist, bevor er bei der Mittelschicht angekommen ist.

Frage: In Hessen will die FDP zusammen mit der CDU in die Regierung. Wenn es für Schwarz-Gelb nicht reicht, schließt die SPD eine Ampel nicht aus. Ampeln Sie mit, wenn es nötig ist?
WESTERWELLE: Eine Ampel wird es nicht geben. Das ist ein Ablenkungsmanöver der SPD, denn natürlich würde Frau Ypsilanti als Parteilinke genau wie Herr Wowereit in Berlin sofort mit der Linkspartei eine Koalition bilden, zusammen mit den Grünen.

Frage: Die FDP ist keine klassische Oppositionspartei, sondern war Jahrzehnte Steigbügelhalter der großen Parteien. Erschwert das die Opposition?
WESTERWELLE: Jede Regierungspartei muss Opposition können, jede Oppositon muss regieren können. Wir haben uns in der Opposition erneuert. Das alte Bild von der Dame ohne Unterleib ist weg. Wir haben fast alle Landtagswahlen erfolgreich bestanden. Wir wollen Regierungsverantwortung übernehmen, nicht um unser selbst willen, sondern weil das Land eine andere Richtung braucht, als Herrn Lafontaine nach links hinterher zu rennen. Wir werden nicht unsere Grundsätze für ein paar Ministersessel über Bord werfen. Übrigens: Auch auf Bundesebene hätten wir 2005 eine Ampel haben können, und ich säße heute zwischen Herrn Schröder und Herrn Fischer, aber uns war wichtiger, unser Wort zu halten, weil wir Überzeugungen und Charakter haben.

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