Freitag, 14. Dezember 2007

Gute Zeiten, schlechte Zeiten?

Berlin. Der FDP-Partei- und -Fraktionsvorsitzende DR. GUIDO WESTERWELLE gab dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ (14.12.2007) das folgende Interview. Die Fragen stellte SIBYLLE QUENETT:

Frage: Herr Westerwelle, sind gute Jahre für das Land schlechte Zeiten für die Opposition?
WESTERWELLE: Sind es gute Zeiten für das Land, wenn die soziale Marktwirtschaft Schritt für Schritt abgewickelt wird? Ich denke nein. Wie folgeträchtig diese
ordnungspolitischen Fehlentscheidungen sind, etwa die staatliche Lohnfestsetzung, werden wir in der nächsten Abschwungphase bitter zu spüren bekommen.

Frage: Wir haben weniger Arbeitslose, und die Konjunktur läuft gut, das stärkt die Regierung.
WESTERWELLE: Als deutscher Patriot freue ich mich, wenn wir eine gute wirtschaftliche Entwicklung haben, vor allem getragen von einer guten Weltkonjunktur. Aber die dunklen Wolken sind längst erkennbar. Deshalb müsste jetzt vorgesorgt werden für schlechtere Zeiten.

Frage: Was fehlt?
WESTERWELLE: Das Wichtigste ist, dass wir die Erneuerung der sozialen Marktwirtschaft fortsetzen und die Agenda 2010, die ja nur eine Schmalspuragenda war, nicht noch
rückabwickeln. Wir müssen ein niedrigeres, gerechteres und einfacheres Steuersystem beschließen, die soziale Sicherung durch mehr Wettbewerb und mehr Freiheit zukunftsfest machen und dafür sorgen, dass der Staat sich auf seine Kernaufgaben konzentriert.

Frage: Die FDP will die Enttäuschten einsammeln. In den Umfragen macht sich das nicht bemerkbar.
WESTERWELLE: Wir sind bundesweit die dritte Kraft. Wir haben in den letzten beiden Jahren alle Landtagswahlen erfolgreich bestanden, und wir gehen optimistisch und gestärkt in die Wahlkämpfe des nächsten Jahres hinein. Es gibt eine sehr gute Chance, dass wir in Niedersachsen, Hessen und Hamburg eine linke Mehrheit verhindern können. Und selbst in Bayern liegen wir immerhin bei sieben Prozent.

Frage: Aber bundesweit profitieren sie bislang nicht.
WESTERWELLE: Nahezu alle Umfragen sehen uns zwischen neun und elf Prozent. Das ist eine solide Ausgangslage. Viele, die vom Linksrutsch von SPD, Grünen und Union enttäuscht sind, interessieren sich mehr und mehr für die FDP.

Frage: Wenn es um Niedriglöhne geht, hören die Leute von der FDP nur ein generelles Nein zu Mindestlöhnen.
WESTERWELLE: Neben dem Bürgergeld-Konzept der FDP, das vor allem den Einstieg ins Berufsleben erleichtert und die verschiedenen sozialen Hilfeleistungen bündelt, ist uns das wichtigste 'mehr Netto vom Brutto'. Die Bürger sagen mit großer Mehrheit: Derzeit
geht es in Deutschland nicht gerecht zu, und wir bekommen vom Aufschwung nichts mit. Dieses Gefühl der Bürger stimmt. Die Ursache liegt in einer Regierung, die sie maßlos immer mehr abkassiert. Die größte Steuererhöhung in der Geschichte der Republik zu Beginn des Jahres bleibt natürlich nicht ohne Auswirkungen auf die Einkommen der Familien. Eine durchschnittliche vierköpfige Familie hat in diesem Jahr 1600 Euro weniger zur Verfügung als im Vorjahr.

Frage: Diejenigen, die im Niedriglohnbereich arbeiten, zahlen kaum Steuern und Abgaben.
WESTERWELLE: Heftiger Einspruch. Wie sehr diese Bürger abkassiert werden, sieht man mit einem einfachen Blick auf die Energiepreise, die zu zwei Dritteln vom Staat gemacht werden. Die Erhöhung der Mehrwertsteuer, der Ökosteuer und der Versicherungssteuer
machen das Leben für alle teurer. Nicht Bruttomindestlohn, sondern mehr Netto ist die soziale Frage.

Frage: Aber die Bundeskanzlerin steht trotzdem gut da.
WESTERWELLE: Meinungsumfragen dürfen nicht zur Begründung einer falschen Politik herhalten. Das sage ich vor allem an die Adresse der Kanzlerin. Ich erwarte im übrigen von Politikern, dass sie führen, auch Meinungsführerschaft ernst nehmen und nicht jedem Populismus der Neosozialisten erliegen. Nehmen wir die Diskussion über die Managergehälter. Diese Neiddebatte wird auch von der Bundeskanzlerin befeuert. Besser wäre es, für eine Anerkennungskultur zu werben. Aber wenn man die Festsetzung von Managergehältern dem Staat überlässt, dann wird man bald auch Höchstgagen für Opern-Diven und Fußballspieler festlegen. Schwarze Schafe gibt es übrigens überall, sogar in der Kirche. Niemand stellt deshalb die Kirche in Frage.

Frage: Themenwechsel. Die Liberalen werden vor allem über ihren Vorsitzenden wahrgenommen. Werden Sie mit der gleichen Mannschaft wie 2005 in der nächsten Wahl antreten?
WESTERWELLE: Ich bin sehr zufrieden mit der Mannschaft der FDP und ihrer Geschlossenheit. Die Wähler wollen, dass eine Partei einen Kurs hat und ihn hält. Wir haben zum Beispiel hervorragende Finanz- und Wirtschaftspolitiker wie Hermann Otto Solms und Rainer Brüderle. Und wir haben einen sehr aktiven und in der Arbeitsmarktpolitik anerkannten Generalsekretär Dirk Niebel. Oder denken Sie an den ganz jungen Landes- und Fraktionsvorsitzenden und Spitzenkandidaten der FDP in Niedersachsen, Philipp Rösler. Die Mär, die FDP hätte nur ihren Vorsitzenden, ist ungerecht und unzutreffend. Als Oppositionspartei finden Sie eben nicht soviel Sendezeit wie die Regierung.

Frage: Wer das bürgerliche Lager in der nächsten Wahl stärken will, könnte lieber für die Union als die FDP stimmen, damit zumindest der Abstand zur SPD größer wird.
WESTERWELLE: Wenn die Union in der nächsten Wahl eine Strategie zur Fortsetzung der großen Koalition fahren sollte, dann werden wir ein Ergebnis in der Nähe unserer Träume erzielen.

Frage: Ihr Traum für 2008?
WESTERWELLE: Mein Traum für das Jahr 2008 ist persönlich ganz einfach, aber doch so wertvoll, Glück und Gesundheit. Vielleicht ein spießiger Wunsch. Aber wenn das fehlt, ist alles nichts. Mein politischer Traum für das Jahr 2008 ist, dass die Deutschen einen Beitrag dazu leisten, dass es nicht zu einer neuen Aufrüstungsspirale in Europa kommt. Diese Gefahr wird in Deutschland bedauerlicher Weise ignoriert und unterschätzt.

Keine Kommentare: